VOLSCHIEFER WEIN
Helmut Plunien lebt die Vergangenheit. Er bringt sie zurück. Bis in die siebziger Jahre gab es von der Saar Weine, die unverkennbar für dieses Weinanbaugebiet standen. Heute ist Helmut Plunien mit seinem Weingut VOLS auf dem Weg, diese Stilistik wieder zurück auf das Parkett zu bringen. Akzentuierung und Reanimation. Seine Rolle ist dabei nicht die eines lauten aka Klaus Kinski. Es sind eher die leisen Töne, die ihn selbst als Mensch ausmachen, aber auch in seinen Weinen Platz finden. Stringent wird daran gefeilt, wie man den alten, saartypischen Stil wieder in die Flasche bringt. Das gelingt ihm sehr gut und überzeugt – einige. Denn es sind keine Weine, die man in die Geschmacksschublade stecken kann und sollte. Es sind Weine, die durch Ihre ganz eigene Machart Reibung verursachen. Und das ist gewünscht. Wer authentischen Saargeschmack erleben möchte, der sollte unbedingt die Weine vom Weingut VOLS probieren. Verlieben kann man sich jeden Tag auf Neue.
DIE WEINE
2014 VOLS SAAR Riesling feinherb
Klein aber fein. Mit 10 % vol. Alkohol spielt er frisch und leicht auf. Die Fruchtkomponente ist ausgeprägt und wird durch eine animierende Säure getragen. Die Restsüße hält die Säure in Schach und es ergibt sich ein rassiges, sehr ausgewogenes Säure-Süße Korsett. Hier ist viel Spaß in der Flasche.2014 Ayler Kupp Riesling Kabinett
Ein Kabinett wie aus dem Saar-Bilderbuch. Leicht mit unglaublicher Komplexität. Vorab an der Nase präsentieren sich Limette, Pfirsich und etwas Apfel. Am Gaumen gewinnt dieser Kabinett an Fahrt. Hier arbeitet das Extrakt des Weines, das diesem eine sehr außergewöhnliche Vielschichtigkeit gibt. Die Säure ist subtil, eher im Hintergrund eingebunden und wird mit Flaschenreife ein äußerst interessanten Wein formen, der extreme Komplexität verspricht.
2014 Wiltinger Kupp Riesling Kabinett
Ein Kabinett ist kein Kabinett? Der Wiltinger Kupp Riesling schwebt irgendwo in der Kategorie zwischen klassischem Kabinett und Feinherb. In der Nase findet man Noten von Apfel, Pfirsich und Kräutern, die sich am Gaumen fortsetzen. Doch es passiert viel mehr. Es dominieren Kräuter und Mineralien, im Wechselspiel mit einer leichten Brise Frucht, die immer wieder für Frische und animierenden Trinkfluss sorgt. Dieser Kabinett ist ganz nah und dann wieder ganz weit weg. Ein tolles Geschmacksspiel. Macht heute viel Freude und morgen (ca. 7 Jahren) sicherlich noch viel mehr.
2014 VOLS I Riesling Spätlese
Der letzte ist der Erste. Hier VOLS I. Und er darf die Eins tragen. Diese Spätlese hat die Nase vorn. Eine etwas reifere Stilistik prägt ihn. Olfaktorisch lassen sich Aromen von Quitte und Pfirsich erkennen. Am Gaumen wirkt er kräftiger. Die Säure verleiht Struktur. Die Fruchtkomponenten blitzen lediglich vereinzelt durch. Ein Wein, der sich von einer subtilen Eleganz nicht trennen mag, aber gleichzeitig etwas mehr Muskeln spielen läßt.
DAS INTERVIEW
Weinfachmann, Weinküfer, Weingutsdirektor. Alles Berufe rund um den Wein. Fehlte dir noch die Perspektive als Winzer oder warum hast du dich dafür nach längerer Zeit entschieden?
Ich komme aus einem kleinen Betrieb aus Wiltingen an der Saar. Unsere Familie ist seit vielen Jahren im Weinbau tätig. Nach dem Abitur oder während der Schulzeit habe ich in den Sommerferien bei großen Weingütern gearbeitet. Es folgte eine Küferausbildung und darauf ein Studium. Nach einigen Jahren kehrte ich in meine Heimat zurück mit dem Schritt zur Selbstständigkeit. Wir konnten in 2010 ein Weingut in Ayl übernehmen. Das kleinere Weingut VOLS hat das größere Weingut Altenhofen übernommen. Zusammen haben wir jetzt ca. sieben Hektar in vielen Flurparzellen. Für mich war also klar, dass der Beruf des Winzers eine logische Schlussfolgerung der Historie ist, mit einer bis heute positiven Entwicklung.
Deine Philosophie ist es, den glasklaren Stil des Saarweins in den Vordergrund zu stellen. Würdest du uns erklären, was damit gemeint ist?
Wir durften als Kinder schon Weine trinken. Insbesondere an Hoch- und Festtagen hatten wir bereits unsere eigenen Gläser. Ich erinnere mich gerne an die fünfziger und sechziger Jahrgänge. Das waren sehr leichte, ganz elegante, strahlende Weine. Mit einer gut eingebundenen Säure und ein bisschen natürlicher Restsüße. Das Leichte dieser Weine hatte mich bereits damals fasziniert. Im Gegensatz zu vielen anderen Gegenden, dessen Weine mehr Alkohol enthalten, war die Saar sehr schlank, sehr rassig. Auch schlanker und rassiger als die Weine von der Mosel. Mit einer guten Ausbildung und einigen Jahren an Erfahrung weiss man, wo die Stellschrauben sind, an denen man drehen muss, um diese Leichtigkeit, diese Eleganz herauszuarbeiten. Wir haben zum Beispiel keine Maischestandzeit, um Kalium aus der Beerenhaut zu lösen, die den Wein etwas breiter, etwas runder macht. Wir wollen eine sehr pikante, sehr strahlend, vibrierende Säure in unsere Weine bringen. Eine Stilistik, die ich von früher her kenne und liebe.
Bist du mit dieser Stilistik von der Saar ganz alleine?
Es gibt noch ein paar andere Winzer, die ähnliche Weine machen. Aber es gibt auch die andere Seite. Ein Beispiel. Wir waren einmal im Urlaub in der Region Vinho Verde in Portugal. Dort hatte der portugiesische Winzer einen deutschen Wein von der Saar, der ihm sehr gefallen hat. Doch er sagte, dass dieser auch in der Pfalz hätte wachsen können. Dieser Kommentar hat mir einen kräftigen Schlag ins Gesicht verpaßt. Zwar war es schön zu hören, dass Saarweine auch woanders gut gefunden werden. Aber, dass man die Stilistik nicht auf den ersten Blick herausfinden konnte, war erschütternd. Ich habe noch lange darüber nachgedacht. Was wurde früher getrunken. Was machen andere. Das hat mich und meine Philosophie des Weinmachens geprägt.
Viele behaupten, dass deine Weine „störend“ sind, voll von Charakter. Man reibt sich an Ihnen. Wie kommt das zustande bzw. was ist das?
Wir arbeiten relativ nah an den Richtlinien des Ökoweinbaus, sind aber nicht zertifiziert. Im Keller wird nur Ganztraubenpressung praktiziert. Die Trauben kommen direkt auf die Kelter. Es gibt keine Maischestandzeit. Es wird nicht geschönt usw. Wir sind alle qualifiziert und wissen, was man machen könnte, um Weine sehr früh fertig zu bekommen. Viele Winzer sind bereits jetzt am Abfüllen. Aber man muss eingreifen, mit Filtern, mit zugesetzten Stoffen usw. Das wollen wir nicht. Unsere Weine brauchen Zeit. Im Laufe der Zeit werden die Weine runder. Etwas molliger. Die Ecken und Kanten werden beim Altern etwas geschliffen. Es gibt Rieslinge, die nach Litschi, Mango, Maracuja schmecken. Das tut Riesling aber von Natur aus nicht. Unsere Weine sind so wie sie gewachsen sind. Und wir wollen diese Authentizität bestmöglich herausarbeiten.
Kollege Egon Müller hat vor kurzem in der VDP Versteigerung einen neuen Rekord (Verkaufspreis) aufgestellt. Das zeigt, dass Saar Rieslinge viel wert sein können. Warum denkst du ist das so? Was wollen die Konsumenten?
Es war eine Trockenbeerenauslese. Ich bin mir nicht sicher, könnte aber sein, dass ich sie auch schon probiert habe (lacht). Es ist ja nicht nur Egon Müller. Der Scharzhofberger ist sicherlich aussergewöhnlich. Mit unserem Braunfels liegen wir direkt im Anschluß an diese Lage. Das sind gerade einmal 100 Meter Luftlinie. Der Schiefer ist ein bisschen mehr verwittert. Es sind, ohne Frage und ich wiederhole mich gerne, aussergewöhnliche Weine. Es sind Weine, die man bei einer Verkostung blind herausfindet. Eigenständig. Authentisch. Wenn man die Region besucht, dann ist es hier ganz anders als beispielsweise an der Mittelmosel. Es gibt keinen Tourismus, wo jeder seine Garage offen hat und die „Kegelbustouristen“ abfüllt. Die Stilistik spricht für sich. Etwas leichter, etwas rassiger mit mehr Säure. Präziser, mit etwas mehr Druck im Mund. Es ist ein kleines Anbaugebiet mit nur ca. 750 Hektar. Trotzdem hat es eine absolute Eigenständigkeit. Man könnte ja fast ein eigenes Weinanbaugebiet daraus machen (lacht).
Welcher Markt ist momentan bei dir stark?
Amerika ist der stärkste Markt. Dort haben wir dieses Jahr ein neues Produkt auf den Markt gebracht. „United Slates” (Schiefer). Dieses Wortspiel wollten wir nutzen. Unsere Idee war, die unterschiedlichen Schiefertypen in eine Cuvée zu bringen. Denn wir haben in unserem Betrieb vier verschiedene Schiefervariationen. Das geht vom roten Schiefer, über grün-grau bis zum ganz grauen Schiefer und dann noch Böden mit großen Quarzit-Anteilen. Das kommt gerade in Amerika sehr gut an. Japan und China läuft auch gut. Südkorea ist jetzt der nächste Markt, wo immer wieder Nachfrage herkommen.
Und hinsichtlich der Prädikate?
Kabinett ist wichtig. Spätlesen laufen auch sehr gut. Die klassische Stilistik.
Auf dem Etikett steht VOLS, benannt nach einer deiner berühmtesten Lage, die 1868 steuerlich ebenso hoch bewertet wurde, wie der weltberühmte Scharzhofberg. Das Logo ist aber ungewöhnlich vertikal auf der Flasche statt horizontal. Symbol für eine eher unkonventionelle Denke?
Wir haben das Etikett mit einer Werbeagentur zusammen entwickelt. Es soll die Charakteristik der Weine symbolisieren. So wie sie sind. Sehr schlank, sehr elegant, geradlinig. Klar und strukturiert. Es gibt eine Textzeile, in der beispielsweise nur „2014 Saarriesling Feinherb“ steht. Mehr nicht. Mit den einzelnen Stufen: Gutswein, Ortswein, Lagenwein. Je höherwertiger der Wein wird, desto höherwertiger wird das Etikett mit Goldfolie. Ganz gerade, ganz reduziert. Eben so wie die Weine dahinter. Die Einteilung in Prädikate ist meiner Meinung nach vorteilhaft. Das kennt man vom VDP. Ich habe lange ein VDP Weingut geleitet. Das geht in Fleisch und Blut über. Die Kunden verstehen das auch gut. Und nur am Rande erwähnt: Wir werden nie ein VDP Weingut werden. Dort ist die Politik eine andere.
Welchen Wein trinkst du gerade an welchen Momenten?
Ich trinke momentan einen 2012 Wiltinger Riesling trocken. Der war ein Jahr lang auf der Hefe mit Batonnage. Die anderen sind mir momentan zu jung. Zu frisch. Und ich verkoste gerne mit Kunden. Wenn das Wetter passt, gehen wir zusammen in die Weinberge raus. Wir verkosten dann den Wein dort, wo er gewachsen ist. Wenn wir den Weinberg ernten, trinken wir mit den Erntehelfern den Wein vom Vorjahr. Das ist schön. So wissen die Leute auch, was sie letztes Jahr gemacht haben (lacht). Ich selbst trinke gerne gemütlich ein Glas, wenn Ruhe eingekehrt ist. Kein Telefon, kein Stress. Da sind wir auch sehr experimentierfreudig. Es wird vieles von Kollegen probiert. Wir Winzer müssen aber natürlich immer etwas aufpassen, dass wir ein, zwei, drei Tage in der Woche keinen Wein trinken. Das ist ganz wichtig.
Momentan laufen Erweiterung des Betriebsgebäudes in Ayl. Das sieht nach Expansion aus?
Wir brauchen einfach mehr Platz. Wir haben eine schöne Weinscheune, wo wir Präsentationen halten. Eine Maschinenhalle steht auch noch an. Insgesamt schaffen wir Platz für die nächsten Jahre. Wir bleiben aber bei einer Größe, die noch kontrollierbar bleibt.
Du hast drei Frauen zu Hause (Frau und 2 Töchter). Alle sind im Weinbau tätig. Macht die Arbeit mit Frauen mehr Spass?
Ja! (lacht) Ohne starke Ehefrau im Hintergrund brauch man das Ganze erst gar nicht anfangen. Sie hält mir den Rücken frei. Die Kinder sind beide momentan in der Schule bzw. im Studium. Momentan nicht so greifbar. Aber wir freuen uns darauf, wenn Sie bei uns im Betrieb sind.
Deine Weine werden grundsätzlich erst zum April/Mai vermarktet. Was erwartet uns vom Jahrgang 2015?
Der Jahrgang 2015 ist momentan am Gären. Wir pflücken alles per Hand und ich lese ausschliesslich mit Leuten aus der Region. Ich kann mich also ganz genau mit ihnen auseinandersetzten. Ich sehe jeden Eimer, den ich meistens selbst ausleere. Allein bei der Traubenlese, die viel wichtiger ist als das was im Keller passiert, achte ich darauf, dass wir perfekt sortierte Trauben haben. Wir haben Beerenauslese und Trockenbeerenauslese geerntet. Das war dieses Jahr bei uns sehr gut möglich. Die Spätlesen aus Wiltinger Kupp, Braunfels, Schlangengraben und Ayler Kupp sind alle sehr gut geworden. Schonfels war gigantisch dieses Jahr. Die Trauben sind perfekt von der Aromatik. Es war nichts auszusortieren, außer für die Beerenauslese oder Trockenberrenauslese. Ansonsten konnte man alles nehmen. Es wird ein richtig guter Saar-Jahrgang.
Was gibt es außer Wein in Deinem Leben?
Reisen und Familie. Ich habe auch mal Musik gemacht, komme aber nicht mehr dazu.
Vielleicht geht der Urlaub nächstes Jahr mal wieder nach Frankreich. Atlantikküste mit Meeresfrüchten. Lecker.
Welches Instrument?
Posaune.